Reise über unseren Hof
Es ist Frühling, kalt, 5 Uhr, dämmerig und die Vögel zwitschern. Wir gehen mit heißen Kaffees in der Hand auf die Terrasse vor unserem Haus. Eingekuschelt in roten selbstgestrickten Decken, sitzen wir in Hängesesseln und warten auf den Sonnenaufgang. So idyllisch. Der Morgentau glitzert und wir genießen das langsame Erwachen der Natur.
Du fragst, warum unser Hof „Hof Morgarot“ heißt. Ich lächle und nicke zu den Bergen rüber, die sich über den Horizont erstrecken. Die ersten Sonnenstrahlen zeigen sich zwischen ihnen in einem wunderschönen Rot-Orange. Du lächelst… Morgenrot… Morgarot auf Schwyzerdütsch.
Du stehst an der Kante zum Hang und bist beeindruckt von dem Ausblick. Du wünschst Dir, dass Du jeden Morgen solch einen Sonnenaufgang genießen darfst.
„Wollen wir los?“ frage ich und hole Dich aus Deinem morgendlichen Traum.
„Wir gehen hier links am Gewächshaus entlang“. Du würdest gern reingehen, aber es ist kein Durchkommen möglich. Lauter Kisten mit Setzlingen sind übereinandergestapelt. Schnell räumen wir die Kisten raus und stellen sie nebeneinander gereiht auf die Wiese. So können sich die Setzlinge an das Wetter gewöhnen und abhärten.
Hinter dem Gewächshaus ist eine weitere Terrasse, etwas erhöht und am Fuße dessen sind unterschiedlich große Natursteine schräg geschichtet. Aus den Ritzen wachsen Erdbeeren, Spitzwegerich, Thymian und ein riesiger Löwenzahn.
Darüber steht ein Hochbeet aus Paletten. Außen wachsen Glockenblumen und im Hochbeet diverse Kräuter und weitere Erdbeeren. Wenn sie doch jetzt schon reif wären…
Weiter gehts an den terrassierten Beeten entlang, die mit Asiasalaten, Erbsen, Zwiebeln und Bohnen bestückt sind. Bei längerem Hinschauen und etwas Wühlen findest Du sie. Die Erbsen schlängeln sich zwischen den anderen Pflanzen und halten sich an ihnen fest. Direkt angrenzend wächst allerhand Grünzeugs. Was das wohl ist? „Muss das so… hat sie vergessen es rauszureißen… was für ein Chaos…aber cool siehts ja schon irgendwie aus“, denkst Du Dir. Ich kenne diese verwirrten Blicke und erkläre Dir, während wir den steilen Weg herunter gehen, dass das die Morgarot Mischkultur ist, mit bestimmtem Gründünger als Unterpflanzung. Zur Verbesserung des Bodenlebens, als Düngung und zur Bodenlockerung.
Wir schlendern an alten Obstbäumen vorbei und Du spürst, wie sich plötzlich die Temperatur verändert. Hier ist eine andere Klimazone.
Der Weg macht eine enge Rechtskurve um ein Wasserretentionsbecken herum. Dieses wird durch Schmelzwasser aus den Bergen gefüllt und versorgt das gegenüberliegende Beet mit Wasser. Ich zeige auf das von Beerenobst umgebene halbkreisförmige Gemüsebeet. Auch dort ist wieder viel Gründünger und etliches Beikraut zu sehen. So toll, so bunt und so üppig. Deine Augen leuchten. Ich flüstere Dir zwinkernd zu: „und es ist erst Frühling.“
Wir gehen weiter. Langsam wirds wieder steiler. Am Staketenzaun entlang wachsen Sanddorn, Himbeeren und andere Beerensträucher. Dahinter ist eine Kuhweide und da gehts richtig steil runter. Zwei Mutterkühe mit ihren Kälbern. So süß die Kleinen.
Autsch!!! Eines der Kälber berührt mit der Nase den Elektrozaun und rennt buckelnd davon. Es kommt zurück. Gleich nochmal. Autsch!!! Und es buckelt wieder davon. „Sie haben heute ihren ersten Weidetag, da bleibt das leider nicht aus“ erkläre ich.
Autsch!!! Eines der Kälber berührt mit der Nase den Elektrozaun und rennt buckelnd davon. Es kommt zurück. Gleich nochmal. Autsch!!! Und es buckelt wieder davon. „Sie haben heute ihren ersten Weidetag, da bleibt das leider nicht aus“ erkläre ich.
Auf der rechten Seite gehts dafür steil hinauf, wo die Geissen fleißig grasen. Wir haben dort einen Teil der Weide abgegrenzt, weil dort das Gras schlecht nachwächst. Der Boden hat eine andere Struktur. Wir wollen dort weitere Beerensträucher pflanzen, die sich in diesem Boden sehr wohlfühlen werden.
Jetzt wirds richtig steil. Rechtsherum an der Schweineweide vorbei, eine steile Rechtskurve hoch und noch steiler hoch. „Puh, da kann einem Stadtkind aus dem Flachland schon ordentlich der Hintern brennen“ sagst Du und schnapst nach Luft.
Wir krackseln an verschiedenen Heckensträuchern, Holunder, Zierapfel, Kopfweide, Hartriegel, Brombeeren, Rosen und einer Trockenmauer mit Erdbeeren vorbei. Auf der linken Seite ist ein wunderhübscher Staketenzaun mit eingewobenen Brombeertrieben, hinter dem sich noch zwei weitere volle Retentionsbecken befinden. Darüber, in Hanglage, sind mehrere Obstbäume, zwischen denen lauter Beerenobststräucher sprießen. Sooo schön… wir halten kurz inne und genießen den Anblick.
„Wusstest Du, dass Bäume in der Lage sind Wasser den Hang hochzuziehen und dieses anderen Pflanzen verfügbar machen?“ frage ich Dich. Dein Gesichtsausdruck spricht Bände.
Das Ziel ist in Sicht. Noch an dem Erdkeller und der Remise vorbei und wir sind wieder da, im Hängesessel. Das war eine kleine Runde. Knapp 23 Hektar zu besichtigen, würde etwas zu lange dauern.
Ich reiche Dir ein Glas frisches Quellwasser und wir genießen den Blick auf die Berge, die noch mit Schnee bedeckt sind. Die Vögel zwitschern, die Sonne scheint. Sie hat inzwischen schon richtig an Kraft zugelegt.
Hier oben auf 800m ist es still, wenn Esel, Pferd, Schaf und Gans nicht gerade ein paar Laute von sich geben. Ansonsten herrscht hier pure Stille… Plötzlich rennt unser Hofhund Sascha bellend, wie von einer Tarantel gestochen, die Einfahrt herunter. Ein Auto kommt. Wer das wohl ist?
Geschrieben von Bettina, unserem kreativen Kopf des Hofes